Das sagt Willi Henglster im Korso über das Stück:
Ausgeträumt – Das Theater Asou mit „splitternacht“ im Literaturhaus Graz
Fußfrei – Theatertrips und -tipps von Willi Hengstler
In einer tollkühnen Anstrengung hat das Theater Asou (Regie Michael Hofkircher) einen richtigen Theaterabend ins Grazer Literaturhaus hineingestellt, basierend auf real geführten Interviews mit Frauen über deren Lebensträume.
Lebensmitte, Verwirrung, Lebensträume, vergangene und zukünftige, wobei nicht ganz klar wird, welche verheerender wirkten: die erfüllten oder unerfüllten. Die sechs oder sieben lose miteinander verwobenen Szenen bzw. „Splitterträume“ erinnern an Dantes „Göttliche Komödie“.
Zu Beginn stirbt jemand bei einem Verkehrsunfall; in einer fabelhaften Zeitlupenchoreografie taucht ein schwarzer Todesengel auf und verschwindet wieder, während das weiß gekleidete Unfallopfer im Gespräch mit einer zweiten Schwarzgekleideten für das ewige Leben präpariert wird: ich habe gelebt. Ich bin gestorben. Ich…(vergessen). Der Einstieg erinnert an Claude Sautets „Les Choses de la Vie“ und man ahnt schon, dass Text und Originalität eher die Schwächen des Abends sein werden. Aber das macht der Mut des überwiegend aus Frauen bestehenden Theaterkollektivs wett, mit dem es große Themen, unterschiedliche Formen und Stimmungen, Heiteres und Trauriges zu einem abwechslungsreichen, dramatischen Bogen zusammensetzt. Dabei fallen die Sprachsequenzen (besonders die lustige Talkshow) gegen die tänzerischen bzw. mimisch-gestischen Passagen etwas ab. Sounddesign und Livemusik von Mary Ronayne-Keane stützen das Bühnenbild kongenial als eine Art Geschmacksverstärker – mit der Butter auf dem Brot sollte man allerdings vorsichtig umgehen. Trotzdem, in ihrer Stilisierung und Stimmung völlig unterschiedliche Bilder derart so virtuos nebeneinander zusetzen, dazu braucht es eine enorme künstlerische Kompetenz. Und gegen Ende findet die Aufführung mit der Sehnsucht einer Spielerin nach einer Pause – vom Traum, vom Theaterspielen, womöglich vom Leben – zu überzeugender Form. Die „gläserne Wand“ zum Publikum, das unsicher wird, ob es nicht doch um eine „wirkliche“ Pause geht, löst sich auf. Dann führen zwei Frauen ziemlich entspannt am Klavier palavernd und singend das Pausenthema weiter. Und zum genialen Schluss wirbelt eine überlebensgroße, barocke Fruchtbarkeitsgöttin auf die Bühne, um unentwegt Schauspielerinnen, Babies, Manuskripte aus ihrem Bauch zu ziehen: Eine unheimliche Metapher auf das vergangene (und hoffentlich zukünftige) Leben mit dem Theater Asou. Zurück bleibt eine leere Bühne, die Festhalle nach dem Fest, alles Geleistete, der Erfolg, als Abfall. Tolle Ensembleleistung von Alice Hagg, Uschi Litschauer, Christina Medina und Uschi Molitschnig.